Methoden der Kohlenstoffbilanzierung2. CANDY-Modell - Modellierung der Kohlenstoffdynamik im System Boden-Pflanzeverfasst von Evelyn Wallor
Inhalt dieses Kapitels
1.
Einführung
1. EinführungDie Modellierung der Dynamik von Kohlenstoff (C) und Stickstoff (N) im System Boden-Pflanze hat eine lange Entwicklung durchlaufen. Erste Ansätze aus dem 19. Jahrhundert nutzen simple Gleichungen zur Beschreibung chemischer Reaktionen. Beispielsweise werden Veränderungen der C und N Konzentrationen im Boden als Inputrate (Organische Substanz, Dünger) minus Verlustrate (Ernte, Auswaschung) kalkuliert (Molina und Smith 1998). Bis heute ist die Mathematik eine etablierte Methode zur Interpretation ökologischer Prozesse in der Natur, vor allem durch die Unterstützung von Computern (Molina und Smith 1998). Während frühe Modelle die organische Bodensubstanz (OBS) als einen homogenen Pool behandeln, definieren heutige Modelle mit Hilfe von Computern so viele OBS-Pools wie nötig, um die bekannten Umsatzprozesse zu beschreiben (Jenkinson 1990, Molina und Smith 1998). Daher existiert heute eine Vielzahl von Computermodellen, die unterschiedliche, ähnliche oder sogar identische Ansätze zur Simulation der C- und/ oder N-Dynamik im System Boden-Pflanze von natürlichen, bewaldeten oder Agrarökosystemen nutzen. Das sogenannte CAMASE Register – zuletzt 1996 aktualisiert – beschreibt insgesamt 200 agro-ökosystemare Modelle, von welchen 98 Bodenprozesse berücksichtigen (Plentinger und Penning de Vries 1996). Diese Modelle können in zwei Gruppen klassifiziert werden: prozessorientierte Modelle (Jenkinson und Rayner 1977, Molina et al. 1983, Parton et al. 1987) und sogenannte Food Web Modelle (Hunt et al. 1987, Hassink et al. 1994, Moore et al. 1996). Eines der im CAMASE Register genannten Modelle ist das CANDY Modell (Carbon and Nitrogen Dynamics). CANDY ist ein prozessorientiertes Modell, basierend auf den Ergebnissen des Langzeitversuches zur Umsetzung der OBS in Bad Lauchstädt und entwickelt von Franko (Franko et al. 1997). Die Funktionalität von CANDY konnte im Rahmen zahlreicher kooperativer Studien für eine Reihe klimatischer Bedingungen innerhalb der temperierten Breiten nachgewiesen werden (Franko et al. 1995a, Franko et al. 1997, Smith et al. 1997). Einige Studien untersuchen die Funktionalität von CANDY auf Untersuchungsflächen Weißrusslands, der Ukraine und dem Europäischen Teil Russlands. Ein Teil dieser Studien beschäftigt sich mit der Anpassung bestimmter regionaler Pflanzenparameter an den Datenbestand der Pflanzenparameter in CANDY. Unterschiedliche Standortbedingungen
beeinflussen den Kreislauf von C und N im System Boden-Pflanze in hohem
Maße. Daher sind vor allem Langzeitversuche in der Lage die Qualität der
Modellierung zu beurteilen (Smith et al.
1997). Vor allem der standortspezifische C-Gehalt im ‚steady state’
hängt von vielen Faktoren wie Klima und Bewirtschaftung ab (Pfefferkorn
und Körschens 1995, Körschens et al. 1998,
Scheffer 2002). Daher bieten Modelle die Möglichkeit nachhaltige
Agrarökosysteme zu schaffen und das Risiko schädlicher Austräge zu
minimieren. Die Verbindung zwischen Simulationssystemen und ihrer
Validität, untersucht anhand der Ergebnisse aus Langzeitversuchen, ist
eine Herangehensweise für die Vorhersage zukünftiger Ereignisse in
Ökosystemen, welche ein Risiko für die Umwelt darstellen können –
beispielsweise in Form von Kohlenstoff- und Stickstoffverlusten (Körschens
2005).
2. Modellstruktur des CANDY-Modells
CANDY
ist ein deterministisches, deskriptives Modell, welches den Boden in
homogene Layer von je 10 cm Mächtigkeit unterteilt und Bodenprofile bis
zu 200 cm Tiefe erlaubt (Franko et al.
1995a). Es enthält eine Reihe von Submodellen, die untereinander
verknüpft sind: z.B. simulieren das Bodenfeuchtemodell und das
Bodentemperaturmodell die Bedingungen für Pflanzenwachstum und
Kohlenstoff- und Stickstoffumsatz. Die funktionale Struktur des Modells
ist in der folgenden Abbildung dargestellt. Funktionale Struktur des CANDY-Modells
Die Handhabung von CANDY wird über eine Benutzeroberfläche realisiert, welche die Eingabe und das Management von Klima-, Boden-, Bewirtschaftungs- und Messwerten erlaubt. CANDY benötigt eine Reihe essentieller Input-Daten oder Startwerte um die Simulation zu starten und Ergebnisse zu generieren. Die notwendigen Daten werden durch die rechte Spalte in Abbildung 1 dargestellt und werden hier detailliert aufgelistet:
Durch die Eingabe und Nutzung experimenteller Werte kann die Funktionalität von CANDY überprüft und verbessert werden. Eine Verbesserung kann durch sogenannte Modellanpassung einzelner Werte realisiert werden. Abbildung 2 zeigt die dazugehörige Benutzeroberfläche.
Index der CANDY-Benutzeroberfläche
Die linke Spalte der Abbildung beschreibt die
verfügbaren Parameter der Datenbanken auf welche das Modell zugreift. Für
die Anpassung der Simulation spielen sie eine wichtige Rolle.
Ausgewählte Parameter – beispielsweise für Pflanzenwachstum oder
charakteristische Bodeneigenschaften – können hier auf
standortspezifische Bedingungen angepasst werden und so die
Simulationsergebnisse entscheidend verbessern.
3. Modellmethode des CANDY-Modells (Submodelle)3.1 Bodentemperaturmodell
Der
Verlauf der Bodentemperatur wird simuliert anhand der
Wärmeflussgleichung. Die Zustandsgröße T ist die Bodentemperatur [K]:
In dieser Gleichung
ist t die Zeit [d], z die Bodentiefe [cm], C ist die volumetrische
Wärmekapazität des Bodens [J cm-3
K-1]
und α ist die Wärmeleitfähigkeit [J s-1
cm-1
K-1].
Für diese Gleichung müssen zwei Randbedingungen definiert werden. Die
erste wird definiert als gewichtetes Mittel der
Tagesdurchschnittstemperatur des Tages zum Zeitpunkt t0
und der vergangenen zwei Tage und gilt für die oberen 5 cm Boden (Franko
et al. 1995a). Dieser Wert wird mit einem Korrekturfaktor
multipliziert, welcher den Einfluss der Pflanzenbestände auf die
Oberflächentemperatur des Bodens berücksichtigt. Die zweite
Randbedingung ist für eine Tiefe von 200 cm definiert. Es wird
angenommen, dass dort kein Wärmefluss mehr stattfindet und die konstante
Temperatur dort 9,8°C beträgt. Dies entspricht dem langjährigen Mittel
der Lufttemperatur in Bad Lauchstädt.
3.2 BodenfeuchtemodellDie Dynamik der Bodenfeuchte wird simuliert
durch die Gleichung von Glugla (1969),
in welcher der volumetrische Wassergehalt sowie das Wasseräquivalent des
Schnees die Zustandsgrößen sind (Franko et
al. 1995). Die Gleichung beschreibt die Entwässerung des Bodens
durch Gravitationskraft basierend auf dem Konzept der Kapazität. Es
besagt, dass Wasserfluss nur dann stattfindet, wenn der spezifische Wert
der Feldkapazität überstiegen wird oder evaporiert (Verdunstung) oder
transpiriert (Wasserabgabe der Pflanze) wird:
t ist
wieder die Zeit, W ist der Bodenwassergehalt [mm] eines Layers, WFK ist
der Bodenwassergehalt bei FK [mm] und λ ist die hydraulische
Leitfähigkeit [mm d-1]. Verdunstung und Transpiration des
Pflanzenbestandes werden über die Klimadaten bzw. über das
Pflanzenwachstum simuliert (Koitzsch
1990). Koitzsch
und Günther
(1990) liefern die Gleichung für Schneeakkumulation und Schneeschmelze.
3.3 C- und N-DynamikDie Stickstoffdynamik im Boden ist stark
abhängig vom Umsatz der OBS. Daher ist die Modellierung des
Stickstoffumsatzes Teil des simulierten C Kreislaufs. Im CANDY Modell
sind drei Fraktionen der OBS für diesen Prozess definiert (Franko
et al. 1995a):
Der AOM und der BOM Pool sind verantwortlich für die Umsatzprozesse, aber stofflicher Austausch zwischen allen drei Pools findet statt. Jeder Pool ist charakterisiert durch eine spezifische C/N-Ratio, welche die Mineralisierungsprozesse und somit die Freisetzung von C und N beeinflusst. Dem BOM und SOM Pool ist ein C/N-Verhältnis von 8,5 zugewiesen. Der abbaubare Pool AOM kann durch unterschiedliche C/N-Verhältnisse beschrieben werden, welche entweder die Immobilisierung oder die Mineralisierung der OBS verstärken:
C…
sind die Kohlenstoffgehalte der korrespondierenden Fraktionen der OBS
[kg C ha-1] und k… sind die Umsatzkoeffizienten [d-1].
Der Koeffizient ka ist ein Aktivierungskoeffizient und ks
ein Stabilisierungskoeffizient (Franko
1990). Der dimensionslose Synthesekoeffizient η beschreibt das
Verhältnis der BOM Produktion zum AOM Abbau. Multipliziert man η mit der
C/N Ratio des AOM Pools, so wird über die Richtung der C und N
Transformation entschieden:
Die Umsatzkoeffizienten hängen von der
Bodentemperatur und –feuchte ab. Um diese Abhängigkeit zu
berücksichtigen, wird in CANDY eine ‚biological active time’ (BAT)
definiert (Franko 1990). Über mittlere
Reduktionsfunktionen wird das Kalenderjahr in die BAT umgerechnet:
BT
entspricht der Bodentemperatur, θ ist die Bodenfeuchte, FAT ist die
Textur, E1 ist das relative Luftvolumen des Bodens und h ist
die Bodentiefe (Layer). R symbolisiert die Reduktionsfunktion für jeden
dieser Umweltparameter und Δ t* repräsentiert die Dauer identischer
Verhältnisse. Die Reduktionsfunktionen können detailliert in
Franko
(1990) und Kuka
(2005) recherchiert werden. Die in CANDY kalkulierte BAT entspricht der
Zeit, welche unter Laborbedingungen für die Mineralisierung beobachtet
werden kann. Außerdem berücksichtigt CANDY den N Input durch
mineralische Düngung oder Deposition, die Auswaschung von N,
Nitrifizierung und Denitrifizierung (Michaelis-Menten Reaktion).
3.4 Startwerte für die C- und N-Dynamik Die Startwerte
für den Corg
Gehalt und dessen Aufteilung in den umsetzbaren Pool (BOM) und den
inerten Pool (SOM) zu Beginn der Modellierung beeinflusst entscheidend
das Simulationsergebnis. Daher bietet CANDY drei Möglichkeiten den
standortspezifischen Cinert
Gehalt zu kalkulieren. Alle drei Ansätze berücksichtigen den
diesbezüglichen Wissensstand. Der bekannteste Ansatz geht auf
Rühlmann
(1999) zurück und wird in der Arbeit von
Kolbe
(2004) und Franko et al.
(2007) beschrieben. Dabei dient der Tongehalt als ausschlaggebend für
die Kalkulation des Cinert
Gehalts. Zwei weitere Methoden gehen ebenfalls von einer physikalischen
Protektion der OBS in Mineralböden aus:
Sollte es an Beobachtungs- oder Messwerten fehlen, bietet CANDY die Möglichkeit ein C und N Level zu definieren. Dieser Wert richtet sich nach dem Durchschnitt reproduzierbaren C Inputs in dt ha-1 (Crep). Dafür muss angenommen werden, dass der Standort sich im Gleichgewichtszustand (steady state) befindet. Unter hiesigen Verhältnissen liegt das C Level zwischen 8 und 12.
4. Weiterführende Informationen des Helmholtz-Zentrums für
Umweltforschung Modellierung von Umsatz und Transportprozessen im Boden Software und Anwendungsbeispiele
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