Methoden der Kohlenstoffbilanzierung

 

3. Treibhaus-Gas-Emissions-Standort-Typen-Verfahren (GEST-Verfahren)

 

Inhalt dieses Kapitels

1. Einführung
2. Standorteigenschaften
3. Treibhaus-Gas-Emissions-Standort-Typen (GESTs)
4. Zusammenfassung der Datenanalyse und Ausblick

 

1. Einführung

Durch das Treibhaus-Gas-Emissions-Standort-Typen-Verfahren (GEST-Verfahren) können die relevanten Vegetationsformen bestimmten Emissionsbereichen (GESTs) zugeordnet werden. Gleichzeitig ermöglicht das Verfahren die Ausgangsbedingungen vor einer Wiedervernässung sowie die mittelfristigen Emissionsänderungen relativ verlässlich einzuschätzen und eine Fläche nach einem 3-5 Jahre andauernden Übergangszeitraum nach einer Wiedervernässungsmaßnahme anzusprechen.

Wie im Kapitel zur Moorwiedervernässung beschrieben, stellen entwässerte Moore, beispielsweise in Deutschland, Polen und Russland, bedeutende Quellen für Treibhausgasemissionen (THG) dar. Die Wiedervernässung entwässerter Moore hat höhere Wasserstände und damit niedrigere Torf-Mineralisierungsraten zur Folge. Trotz dieses Zusammenhangs ist die Wirkung von wiedervernässenden Maßnahmen gegenüber dem globalen Treibhauspotential (Global Warming Potential - GWP) weder einfach zu bestimmen noch eindimensional. So geht eine Wiedervernässung oft mit einem Anstieg der CH4-Emissionen einher, während die CO2-Emissionen nicht abnehmen.

Dies hängt damit zusammen, dass die Änderung des GWP bei der Wiedervernässung von Mooren mit einer Vielzahl von Faktoren zusammenhängt:

  •  große Bandbreite von Moor- und Torftypen mit jeweils eigenen Emissionsmerkmalen

  •  unterschiedliche Klimabedingungen bei denen Moore vorkommen

  •  räumliche Heterogenität vieler Standorte, inkl. wechselnden Mächtigkeiten der Torfe

  •  sehr unterschiedliche (frühere) Art der Bewirtschaftung

  •  aktuelle Ausprägung der Vegetation von offenen Torfen bis hin zu Hochwald

  • unterschiedliche klimarelevante Gase, die beteiligt sind und unterschiedliche Klimawirkungen (GWP) aufweisen mit diametral gegenläufigen Reaktionen auf eine Wiedervernässung

  • weites Spektrum der Standorteigenschaften, die die THG-Emissionen beeinflussen

Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass eine exakte standortbezogene Messung von Emissionswerten sowohl technisch als auch finanziell aufwendig ist. Eine Übertragung dieser Messwerte auf andere Standorte ist schwierig.

In diesem Zusammenhang dienen die GESTs, die von der Universität Greifswald entwickelt wurden, dazu Standorte mit ähnlichem GWP einander zuzuordnen. Zur Ermittlung der GESTs wurden dazu aus der Literatur Daten über die jährlichen Emissionen aus den gemäßigten Breiten Europas gesammelt und ausgewertet, wobei keine gesicherten Daten aus den östlichen Regionen Europas verfügbar waren. Die Prüfung der Daten fand anhand von einer Vielzahl von Standortparametern statt und wurde durch das Vegetationsformenkonzept substanziell aufgewertet und erweitert.

Das GEST-Verfahren bietet somit ein Instrument für eine schnelle Einschätzung von Treibhausgasemissionen und deren Erfassung für große Räume. Durch dieses Verfahren können Flächen mittels einfach zu bestimmender Indikatoren bestimmten GESTs zugeordnet werden und Trends und Regelmäßigkeiten zwischen Emissionen und Standortparametern hergestellt werden.

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2. Standorteigenschaften

Die Standorteigenschaften, aus denen die Standortparameter abgeleitete werden, wurden der ausgewerteten Literatur entnommen. Hierzu gehören Informationen zur Torfart, zu Wasserspiegelständen und -variationen, zur Vegetation, zur Landnutzung und zur Lage. Zum Teil werden zudem detailliertere Standortbeschreibungen zu Standortparametern, Vegetationsbeschreibungen und Pflanzenartenlisten herangezogen, um Vegetationsformen abzuleiten und eventuell fehlende Standorteigenschaften herzuleiten. Das Vegetationsformenkonzept bildet hierbei ein Klassifikationsverfahren anhand bestimmter Pflanzenarten die ökologischen Standorteigenschaften abzuleiten und Rückschlüsse auf das Emissionsverhalten zu ziehen.

Auf diese Weise wird ein Basis-Set der Standorteigenschaften mit Wasserstufen, Trophie-Status, Basenreichtum und Vegetation bestimmt. Zusätzlich dazu müssen die Emissionsdaten des Untersuchungsraumes erfasst werden, wobei nur jährliche Emissionen verwendet werden können.

 

Struktur der Datengrundlage

Emissionen Wasser Ort
Gas-Typ
Emissionen in kg pro ha pro Jahr
Variationen (Standardabweichung)
pH
Mittlerer Wasserstand
Niedrigster Wasserstand
Höchster Wasserstand
Wasserstandsschwankungsbereich
Name
Land
Breiten- und Längengrad
Torf Methoden
Typ
Mächtigkeit
C/N
N Gehalt
P Gehalt
Trophie-Status
EC
Glührückstand
Lagerungsdichte
Wassergehalt
Porosität
Grad der Humifizierung
pH
Messmethode
Jahr der Messung


Vegetation
Vegetationstyp
Art der Pflanzen
Artenliste
Düngung Andere
Nutzung Referenz
Kommentare
Zusätzliche Referenzen
Aktuelle Bewirtschaftung
Frühere Bewirtschaftung
   

(Quelle: Couwenberg et al. 2008)

 

Hauptstandortfaktorklassen des Vegetationsformen-Ansatzes

Faktor und Beschreibung Wasserstufe Eigenschaften
Wasserverfügbarkeit

Wasserversorgung:
+: feuchtegeprägte
–: trockenheitsgeprägte
Standorte


7+ oberes Sublitoral
6+ unteres Eulitoral
5+ nass (oberes Eulitoral)
4+ halbnass (sehr feucht)
3+ feucht
2+ mäßig feucht
2- mäßig trocken
3- trocken
4- sehr trocken
5- dürr
 WLw/WLd: +250 to +140 cm
WLw: +150 to +10 cm; WLs: +140 to +0 cm
WLw: +10 to -5 cm; WLs: +0 to -10 cm
WLw: -5 to -15 cm; WLs: -10 to -20 cm
WLw: -15 to -35 cm; WLs: -20 to -45 cm
WLw: -35 to -70 cm; WLs: -45 to -85 cm
WD: < 60 l/m²
WD: 60 – 100 l/m²
WD: 100 – 140 l/m²
WD: > 140 l/m²
Saisonal wechselnde Feuchte wird angegeben mit einer Kombination verschiedener Wasserstufen, z.B. weist ein 5+/4+
Standort einen Wlw von 5+ und einen Wls von 4+ auf. Starke Wechselnässe wird mit „~“ angegeben, z.B. weist
ein 3~ Standort einen Wlw von 4+ und einen Wls von 2+ auf.
Nährstoffverfügbarkeit

Verfügbarkeit wichtiger Nährstoffe
(insbesondere N, P, K bzw. das
jew. limitierende Element) für die
Bioproduktion

Verwendeter Indikator: C/N
o-sa oligotroph – sehr arm

o-a oligotroph – arm

m-za mesotroph – ziemlich arm

m-m mesotroph – mittel

e-k eutroph – kräftig

e-r eutroph – reich

p-sr polytroph – sehr reich
Moore: C/N > 40
Wälder: C/N > 40
Moore: C/N 33 - 40
Wälder: C/N 30 - 40
Moore: C/N 26- 33
Wälder: C/N 23 - 30
Moore: C/N 20 - 26
Wälder: C/N 18 - 23
Moore: C/N 13 - 20
Wälder: C/N 14.5 - 18
Moore: C/N 10 - 13
Wälder: C/N 11.5 - 14.5
Moore: C/N < 10
Wälder: keine Abgaben
Basenreichtum (pH)
Verwendeter Indikator: pHKCl
sau sauer
sub subneutral
ka alkalisch (kalkhaltig)
pHkts < 4.8
pHkts 4.8 - 6.4
pHkts > 6.4

(Quelle: Couwenberg et al. 2008)

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3. Treibhaus-Gas-Emissions-Standort-Typen (GESTs)

Die folgenden Tabellen geben einen Überblick über die bisher identifizierten GESTs. Die bisherigen Ergebnisse bei der Festlegung der aufgeführten GESTs sind allerdings zu einem beachtlichen Ausmaß als vorläufig zu betrachten und weitere wissenschaftliche Untersuchungen sind notwendig. Vegetationsformen ohne direkt dazugehörige Untersuchungen der Treibhausgase wurden basierend auf Expertenwissen klassifiziert.

 

Legende zu den GESTs

(Quelle: Couwenberg et al. 2008)

GESTs

(Quelle: Couwenberg et al. 2008)

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4. Zusammenfassung der Datenanalyse und Ausblick

Durch die Klassifikation und Untersuchung der GESTs können folgende Ergebnisse zusammengefasst werden:

  • Treibhausgas-Emissionen sind in eindeutiger Relation an jährliche Mittel-Wasserstände und die entsprechenden Wasserstufen gebunden.

  • Diese Wasserstufen können klar mit dem Vorhandensein bzw. Fehlen von Artengruppen beschrieben werden.

  • Eine Klassifizierung in relativ homogene Treibhaus-Gas-Emissions-Standort-Typen (GESTs) ist möglich.

  • Eine Einschätzung der Treibhaus-Gas-Emissions-Eigenschaften kann im Feld über die Indikatorenbestimmung nach dem "Vegetationsformen-Konzept" erfolgen.

Bei Betrachtung der GESTs wird neben dem Wasserstand der wesentliche Einfluss der Vegetation deutlich. Die Emissionswerte für die GEST-Typen weisen bedingt durch das komplexe Wirken einer Vielzahl von Faktoren generell eine hohe Streubreite auf. Trotzdessen hat die Vegetation neben dem Wasserstand den größten Einfluss auf den Gasaustausch. Dies wird vor allem deutlich, wenn die Bandbreite der mittleren Emissionswerte bei Wasserstufe 5+ in Abhängigkeit vom vorherrschenden Pflanzenbestand von 1 bis 12,5 Tonnen Kohlendioxidäquivalenten pro Hektar und Jahr reicht.

Forschungsbedarf besteht noch in der Überprüfung des GEST-Verfahrens im Feld, der Erweiterung der Datengrundlage im Bezug auf unterrepräsentierte Standorte und der Verbesserung der Auflösung bei der Betrachtung der Standorte.

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Weiterführende Literatur

Entwicklung und Anwendung der Treibhaus-Gas-Emissions-Standort-Typen

Moorschutzkonzept des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern

 

 

Literatur:

Couwenberg, J.; Augustin, J.; Michaelis, D.; Wichtmann, W.; Joosten, H. (2008): Entwicklung von Grundsätzen für eine Bewertung von Niedermooren hinsichtlich ihrer Klimarelevanz - Endbericht, Ernst-Moriz-Arndt-Universität Greifswald. (http://paludikultur.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/pub/gest.pdf) [eingesehen am 14.06.2012]

Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz (Hrsg.) (2009) Konzept zum Schutz und zur Nutzung der Moore Fortschreibung des Konzeptes zur Bestandssicherung und zur Entwicklung der Moore, Mecklenburg-Vorpommern. (http://www.lung.mv-regierung.de/dateien/moorschutzkonzept_mv.pdf) [eingesehen am 14.06.2012]